Fotografieren zwischen Sinnlichkeit und Sinnlosigkeit

Gegen den Wandel in der Welt und bei sich selbst kommt man nicht an. Die politisch gewollten Verarmungsbeschlüsse der letzten Merkel-Koalition und jetzt der Ampel-Koalition nehmen oft denen, die gearbeitet haben (oder arbeiten?) bis auf das Existenzminimum fast alles ab. Ade Konsum und Konsens!

Deutschland wird in meinen Augen echt nur noch ein Land für Reiche und Asylanten, die auf ihre Art alles bekommen und haben ohne etwas dafür zu tun.

Wer gearbeitet hat, wird im Alter nun rücksichtslos abgestraft – es sei denn er/sie war verbeamtet. Ob das Rassismus ist oder die Umschreibung der Realität, ist eine Frage des Interesses.

Natürlich werden viele, die eigentlich nie daran gedacht haben, jetzt neue Wege gehen, weil die Not zu groß wird.

Und die entmutigenden und Zorn entfachenden Widersprüche leiten einen neuen Zeitgeist ein, der einen Geist freiläßt, den man nicht mehr in die Flasche bekommt.

Geld führt – in jeder Beziehung und es werden ohne Not nun giftige Beziehungen entstehen, die politisch leicht hätten verhindert werden können.

Das ist der soziale Rahmen, der mich bewegt und in dem ich diese Zeilen schreibe.

Was bedeutet dies aus meiner Sicht für Fotografie und Erleben heute?

Mir macht es keinen Spaß mehr Magazine und Webseiten zu lesen, die neue Produkte anpreisen, wenn sie immer mehr unbezahlbar sind.

Und die soziale Abgrenzung wird für mich immer mehr direkt spürbar.

Es gibt ja immer noch den Leicastatus, mit dem man sich den Zutritt in die fotografische Welt der neuen Ober-Mittelschicht und Oberschicht erkauft, um irgendwie dabei zu sein und den M Mythos zu leben. Und er wurde erfolgreich wiederbelebt.

Wer aus diesem Milieu die M-Welt nicht mag, hat viele neue Möglichkeiten mit neuen fotografischen Begegnungsangeboten als Bildungsangebote mit „großen“ Namen der Bezahlfotografie. Da wird man ausgewählt, um viel Geld ausgeben zu können für eine persönliche Begegnung in einem Workshop und so bleibt man unter sich.

Wer es nicht bezahlen kann, darf gegen Geld einen Online-Kurs besuchen, der aus einigen Videos besteht…

Schöne neue Welt voller Geld, das man schon von zu Hause aus haben muß. Im Journalismus kommen auch fast alle aus der oberen Mittelschicht und in der Fotografie mindestens ebenso. Sie kommen aus priviligierten Milieus. Das führt dann auch zur entsprechenden Themenwahl in fast allen Medien, die auch als Machtmittel dienen. Sie schreiben für sich selbst und bleiben medial auch fotografisch unter sich:

„Leider verstehen sich Journalisten noch zu sehr als pädagogisch eingesetzte Institution, die das Publikum monologisierend über das Weltgeschehen informiert. Sie ertragen es nicht, dass immer mehr Menschen ihre Deutungshoheit ernsthaft in Frage stellen. Kulturalistische Reflexe wie die ständig auftauchende Rede vom »Pöbel« zeigen, dass hier auch die Klassenfrage eine Rolle spielt. Der Zugang zum Berufsfeld des Journalismus ist hierzulande an eine wohlbehütete soziale Herkunft gebunden; Kollateralschäden mit nicht-akademischem Elternhaus werden nur geduldet, wenn sie bedingungslos bereit sind, einen hochkulturellen Habitus anzunehmen. In ihrer Doktorarbeit belegt die Sozialwissenschaftlerin Klarissa Lueg, dass Journalisten zu mehr als zwei Dritteln eine privilegierte soziale Herkunft aufweisen und vor allem Eltern haben, die als Beamte oder Angestellte mit Hochschulabschluss im gehobenen bis sehr gehobenen Dienst tätig (gewesen) sind. Auf den Chefsesseln der Medien beträgt der Anteil der Bürger- und Großbürgerkinder sogar satte 77 Prozent.“

Für alle anderen steht dort eher ein Schild „Geldzone – Zutritt nur für Reiche“.  Das habe ich ja vielfach hier schon beschrieben und dokumentiert.

Jenseits dieser Statussymbole ist die andere Welt mit guten fotografischen Möglichkeiten. Ich schwärme eher von Fuji und Lumix, andere von anderem Equipment. Auf jeden Fall ist es fotografisch eine großartige Welt mit sehr vielen Möglichkeiten.

Damit möchte ich zu einem anderen Gedanken in diesem Rahmen wechseln.

„Es stimmt, die Kameras von Smartphones werden immer leistungsfähiger. Kein Wunder, dass viele Nutzer mit der Bildqualität aktueller Mobiltelefone zufrieden sind. Gleichzeitig wollen Smartphonehersteller jedes Jahr ein neues Flaggschiffmodell verkaufen – und werben häufig mit verbesserten Kamerafunktionen. Das Problem: Das High-End-Phone aus diesem Jahr ist im nächsten Jahr nur noch Mittelklasse, die Halbwertzeit aktueller Smartphonetechnik ist kurz. …
Mit einem Fotoapparat zu fotografieren, ist ein bisschen so, wie Musik per Schallplatte und Verstärker zu hören. Beides ginge auch mit einem Smartphone, aber es geht damit auch jede Sinnlichkeit verloren.“

Diesen Gedanken fand ich auf spiegel.de.

Und damit komme ich zur Sinn-Frage.

Mit allen Sinnen fotografieren und darin Sinn finden?

Das ist vielleicht mit einem Smartphone nicht so möglich wie mit einer Kamera.

Daher ist für den, der dies so sieht, eine Kamera für alle Sinne immer noch die beste Wahl als optisches Instrument für fotografische Aufnahmen.

Aber was kann man damit fotografieren?

Die Antwort ergibt sich für mich von selbst: es geht um die Welt draussen vor der Tür.

„Es giebt nur einen angeborenen Irrthum, und es ist der, daß wir da sind, um glücklich zu seyn. … So lange wir in diesem angeborenen Irrthum verharren, auch wohl gar noch durch optimistische Dogmen in ihm bestärkt werden, erscheint uns die Welt voll Widersprüche. Denn bei jedem Schritt, im Großen wie im Kleinen, müssen wir erfahren, daß die Welt und das Leben durchaus nicht darauf eingerichtet sind, ein glückliches Daseyn zu erhalten. Während nun hiedurch der Gedankenlose sich eben bloß in der Wirklichkeit geplagt fühlt, kommt bei Dem, welcher denkt, zur Pein in der Realität noch die theoretische Perplexität hinzu, warum eine Welt und ein Leben, welche doch ein Mal dazu da sind, daß man darin glücklich sei, ihrem Zwecke so schlecht entsprechen? …Immerhin mag man dabei versuchen, die Schuld seiner individuellen Unglücksäligkeit bald auf die Umstände, bald auf andere Menschen, bald auf sein eigenes Mißgeschick, oder auch Ungeschick, zu schieben, auch wohl erkennen, wie Diese sämmtlich dazu mitgewirkt haben; Dieses ändert doch nichts in dem Ergebniß, daß man den eigentlichen Zweck des Lebens, der ja im Glücklichseyn bestehe, verfehlt habe; worüber dann die Betrachtung, zumal wenn es mit dem Leben schon auf die Neige geht, oft sehr niederschlagend ausfällt: daher tragen fast alle ältlichen Gesichter den Ausdruck Dessen, was man auf Englisch disappointment nennt. Ueberdies aber hat uns bis dahin schon jeder Tag unsers Lebens gelehrt, daß die Freuden und Genüsse, auch wenn erlangt, an sich selbst trügerisch sind, nicht leisten, was sie versprechen, das Herz nicht zufrieden stellen und endlich ihr Besitz wenigstens durch die sie begleitenden, oder aus ihnen entspringenden Unannehmlichkeiten vergällt wird; während hingegen die Schmerzen und Leiden sich als sehr real erweisen und oft alle Erwartung übertreffen. – So ist denn allerdings im Leben Alles geeignet, uns von jenem ursprünglichen Irrthum zurückzubringen und uns zu überzeugen, daß der Zweck unsers Daseyns nicht der ist, glücklich zu seyn.“

Diese Sätze von Arthur Schopenhauer aus der „Heilsordnung“ geben für mich die Realität und Richtung vor, um die Welt vor der Tür zu sehen.

Wie geht man damit um?

Gute Antworten haben mir John Berger und Albert Camus gegeben:

„Jedenfalls leben wir in einer Welt des Leidens, in der das Böse grassiert, in einer Welt, die unser Dasein nicht bestätigt, in einer Welt, der wir widerstehen müssen. In dieser Situation gibt uns der ästhetische Augenblick Hoffnung. Daß wir einen Kristall oder eine Mohnblume schön finden, bedeutet, daß wir weniger allein sind, daß wir tiefer in die Gesamtexistenz einbezogen sind, als es uns der Ablauf eines einzigen Lebens glauben lassen würde… Alle Ausdrucksformen der Kunst haben sich aus dem Versuch entwickelt, das Augenblickliche in das Immerwährende umzuwandeln.“

John Berger

„Ich glaube weiterhin, dass unserer Welt kein tieferer Sinn innewohnt. Aber ich weiß, dass etwas in ihr Sinn hat, und das ist der Mensch, denn er ist das einzige Wesen, das Sinn fordert. Diese Welt besitzt zumindest die Wahrheit des Menschen, und unsere Aufgabe besteht darin, ihm seine Gründe gegen das Schicksal in die Hand zu geben.“

Albert Camus

Sinnlich fotografieren führt dann vielleicht zu einem sinnlichen Moment in dieser Welt, zumal man der Wirklichkeit nicht entfliehen kann, wenn man bei Sinnen ist.

In diesem Sinne hätte die echte Kamera dem Leben im gelebten Fotografieren für den Moment einen Sinn gegeben – Motive zwischen Glück und Leid gibt es ja genug…

Text 1.1

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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