Als Amateur zwischen Art und Achtsamkeit

Es geht um gelebte Zeit, es geht nicht um soziale Anerkennung. Das ist der Hintergrund des Amateurs, der sein Hobby lebt und liebt. Es ist der Homo Ludens, der da spricht.

Dieter Hacker hat den Amateur vor vielen Jahren so beschrieben:

“Der Amateur liebt seine Arbeit. Dieses Verhältnis zu seiner Arbeit hat für ihn viele Konsequenzen. Denn unsere Gesellschaft honoriert nicht, was wir lieben, sondern was wir für ihren Fortbestand leisten. Die Arbeit des Amateurs gilt wenig. Da er seine Arbeit macht, um ein persönliches Bedürfnis zu befriedigen, bleibt er in der Regel auch der wichtigste Nutznießer seiner Arbeit… Der Amateur ist für die Industriegesellschaft nur interessant, sofern man mit ihm Geschäfte machen kann. Beim Fotoamateur ist das so. Unermüdlich und mit Hilfe von Werbeanzeigen, Großplakaten, Fotomagazinen, Fotoausstellungen, Fotobüchern und Sondereinlagen der illustrierten Zeitungen werden die Leute zum Fotografieren angeregt.”

Und dann kommt das Geheimnis der Kunst und der Revolution: “Befreit davon, Waren produzieren zu müssen wie der Profi, hat der Amateur die Chance, durch seine Arbeit zu wichtigen Einsichten zu kommen und sie, unberührt von den Interessen professioneller Multiplikatoren vermitteln zu können. Was dem Berufskünstler kaum gelingt, nämlich die Realisation seiner Intentionen; was ihm deshalb nicht gelingt, weil sich aus dem wahren Charakter des Kunstwerkes Zwänge ergeben, denen er sich schwer entziehen kann, ist für den Amateur kein Problem, denn er muß von seiner Amateurarbeit nicht leben.

Amateurarbeit, die sich von ihrer Fixierung an die Arbeit der Profis befreit, könnte eine Ahnung davon vermitteln, was nicht entfremdete Arbeit ist und so eine wichtige Utopiefunktion erfüllen. Nicht vergessen: die Revolution ist die Arbeit von Amateuren.”

Im Amateuer steckt also der Anfang und der Aufstand und der wahre Künstler.

Aber wer will schon Amateur sein?

Wenn man die Gedanken von Dieter Hacker ernst nimmt, dann ist der wahre Künstler der Amateur.

Aber weil er dafür nicht bezahlt wird, kommt er auch in den entscheidenden Medien kaum vor. Da kommt es nur auf kommerziellen Erfolg und den Weg dorthin an.

(Das war übrigens auch das Kernproblem von Arthur Schopenhauer. Weil er finanziell unabhängig war ohne reich zu sein, schrieb er das, was er wollte und dachte und wurde ein wahrer Künstler für die Weltphilosophie.)

In diesem Rahmen frage ich mich, inwieweit Achtsamkeit und Art zusammengehören.

Dabei ist das Wort Art durchaus mehrdimensional zu verstehen.

Achtsamkeit ist dabei die Art der Wahrnehmung, die mir hilft, mich selbst zu spüren und die Welt so offen zu sehen, daß man der Situation und dem Moment fotografisch einen Rahmen geben kann.

Achtsamkeit erfordert Fokussierung.

Mit dem richtigen Fokus kommt dann auch das richtige Foto im richtigen Rahmen zur richtigen Zeit.

Das wäre dann der entscheidende Moment der gegenwärtigen Zeit gewesen.

Das ist dann die Kunst.

Diese besteht darin durch Achtsamkeit und Fokussierung den Moment zu leben, um ihn mit einer Fotografie zu beenden, deren Sinn und Zweck darin besteht, den Moment fotografisch gelebt zu haben.

Damit ist der Amateur ein Künstler, dessen Weg die Kunst ist.

Das Foto als Ergebnis dieser Kunst kann Kunst sein oder auch nicht.

Denn was Kunst ist, was Art ist, liegt im Auge des Betrachters.

Würde es darüber hinausgehen, müßte Kunst ja von Nicht-Kunst unterscheidbar sein.

Genau hier kommen nun die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie dazu.

Wer bestimmt denn, was Kunst ist?

Es ist der sog. Markt also ein Treffen von Menschen, die Geld dafür ausgeben wollen und die Produkte dafür anbieten.

Deren Merkmal ist die „Museumsqualität“, eine reichlich subjektive Selektion, die aber in diesen Kreisen von Relevanz ist.

Und da kommt der Amateur nicht vor, sondern das Netzwerk von Beziehungen und Nepotismus.

So bleibt der wahre Künstler meistens unentdeckt, weil er/sie für seine Kunst lebt und seine Art zu fotografieren der höchste Ausdruck seiner Lebensweise ist.

Dafür darf er Mensch sein im Sinne Schillers: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

In diesem Sinne …

Übrigens findet sich hier verlinkt ein Text, der Profis und Amateure in der Fotografie vergleicht.

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

One thought on “Als Amateur zwischen Art und Achtsamkeit

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