Die Welt von gestern in Farbe

Der Historiker Dan Jones und die Künstlerin Marina Amaral haben ein Fotobuch herausgegeben, das es in sich hat. Die beiden Autoren erzählen hier mit Bildern eine Geschichte vom Krimkrieg bis zum Kalten Krieg und von der Dampfmaschine bis zur Raumfahrt.

Entscheidend ist in diesem Buch nach der Auswahl das Kolorieren der Fotos: „Bei der Kolorierung historischer Fotos muß man sehr gewissenhaft vorgehen… Das Porträt eines Soldaten z.B. enthält Farben für Uniformen, Medaillen, Abzeichen, Fahrzeuge, Haut…. Wenn alle Informationen gesammelt sind, beginnt das Kolorieren. Obwohl heute der Computerbildschirm die Leinwand ist, wird … jedes Bildsegment von Hand koloriert. Der Prozess kennt keine Algorithmen. Die Werkzeuge sind digital, aber die grundlegenden künstlerischen Techniken haben sich seit Leonardo da Vinci nicht geändert. Vorsichtig beginnt man Schicht für Schicht, Farbe für Farbe einzufügen, man mischt sie durch Hunderte von Schichten und versucht, eine spezielle Atmosphäre einzufangen und wiederzugeben, die mit der des Fotos übereinstimmt.“

So schildern Marina Amaral und Dan Jones den Weg zu ihren kolorierten Fotos, die uns bildhaft die Welt von gestern zeigen sollen vor der Erfindung der Farbfotografie.

Man ahnt es. Das Buch ist einfach großartig. Es erzählt die letzten 150 Jahre sozialer Veränderungen mit Fotos, die durch die Farbe ihre historische Distanz verlieren und wie von heute wirken.

Aber es sind nicht nur die Bilder, die bewegen.

In dem Buch sind zu jedem Foto kurze und sehr informative Texte, die nicht nur den Bildinhalt sondern auch die Umstände erklären, so daß wir neben der Welt in Fotos auch noch ein erstklassiges Geschichtsbuch voller Geschichten erhalten, die die Welt detailreich lebendig und verstehbar machen.

Das Buch wirft aber schlaglichtartig auch noch Fragen auf, die sich aus den Bildern ergeben. Man sieht die Wahrheit des Satzes: „Zivilisation kann man kaufen, Kultur nicht.“

Und man merkt, daß die sozialen Fragen durch neue soziale Strukturen immer wieder neu entstehen und neu beantwortet werden müssen.

„Die Welt von gestern in Farbe“ ist in dieser Art wohl einzigartig und ein großartiges Geschenk, wenn man sich für Fotografie und/oder Geschichte interessiert.

„Was geschieht, wenn man die Epoche der Schwarz-Weiß-Fotografie aus ihrem monochromen Schlummer reißt? Seit dem 19. Jahrhundert wurden prägende Momente genauso wie Alltagsszenen auf Lichtbild gebannt. Das Zeitalter der Fotografie hatte begonnen und macht seither die Vergangenheit für die Nachwelt sichtbar – doch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein nur in Schwarz-Weiß.

Die Künstlerin Marina Amaral kolorierte mittels digitaler Bildbearbeitung 200 ikonische Bilder aus den Jahren 1850 bis 1960, sodass Schwarz-Weiß-Fotografien zu lebendigen und faszinierenden Farbfotos werden. Berühmte Staatsmänner, wichtige historische Ereignisse ebenso wie die Gesichter gewöhnlicher Menschen zeigen sich uns auf dramatische und unerwartete Weise. Ergänzt werden die Bilder durch informative Begleittexte des Historikers Dan Jones.“

So schreibt der Verlag. Hier ist etwas Großes und Großartiges in Buchform erschienen, das einen wirklich völlig anderen Blick auf Geschichte und Fotografie ermöglicht.

Es ist bei riva in der Nymphenburger Verlagsgruppe erschienen.

Dan Jones | Marina Amaral
Die Welt von gestern in Farbe
Eine neue Geschichte der Welt von 1850 bis 1960. Mit über 200 historischen Fotografien erstmals in Farbe

ISBN: 978-3-7423-0775-0

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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