EU-Datenschutzrecht – wird das Fotografieren bald verboten?

Foto Mahlke

Das Ende der Fotoindustrie steht bevor könnte man meinen. Mit dem Untertitel „Neues EU-Recht bedroht ungestellte Bilder“ schreibt Hendrik Wieduwilt in photonews 4/18 folgendes:

„Wer künftig auf den Auslöser drückt, beginnt einen Datenverarbeitungsvorgang…. Noch vor dem Schuss muss die Person einwilligen … und zwar nachdem der Fotograf … informiert hat… Damit ist sämtliche Fotografie ungestellter Szenen von Event-, Straßen- oder Hochzeitsfotografie verboten – oder kann sich jemand vorstellen, 300 Hochzeitsgästen rechtssichere Einwilligungen abzuverlangen?“

Wenn es so stimmt, dann verbietet die EU ja quasi das Fotografieren im öffentlichen und privaten Raum sobald ein Mensch im Blickfeld ist!

Dann stehen die boomenden Märkte mit Smartphones und neuen Digitalkameras bestimmt bald vor dem Zusammenbruch.

Rechtsanwalt Seiler hat zu diesem Problem u.a. geschrieben: „Worum geht es: die EU-Grundrechtscharata enthält in Art. 8 ein Datenschutzgrundrecht und in Art. 11 die Meinungsäußerung, Medien- und Informationsfreiheit. Diese beiden widerstreitenden Grundrechte müssen praktisch in Einklang gebracht werden – Justizia wird nicht umsonst mit einer Waage dargestellt. Statt aber diese Aufgabe selbst zu lösen, überlässt Art. 85 DSGVO diese Aufgabe dem nationalen Gesetzgeber, der hierzu soweit ersichtlich in Deutschland aber noch nicht tätig geworden ist; zumindest liegt kein Entwurf eines KUG zur Anpassung an die DSGVO vor. Lediglich auf Landesebene liegen Entwürfe zur Anpassung der Landesdatenschutzgesetze an die DSGVO vor, die teilweise auch Regelung zum Medienprivileg enthalten.“

Damit wird klar, außer neuer Rechtsunsicherheit ist nichts geregelt. Das ist damit ein Fall für Frau Dorothee Bär und Frau Barley in Deutschland.

Hier hängen ja ganze Branchen dran. Und es geht noch weiter. Fotocommunity, Adob Stock, 500pix, flickr und wie sie alle heißen, müssen jetzt ja eigentlich auch tätig werden. Und google erst recht. Denn in der Bildersuche kann google ja wohl nicht Fotos zeigen, die diese Kriterien nicht erfüllen. Wenn ich das richtig verstanden habe, macht sich google doch dann strafbar so wie Facebook und andere auch?!

Aber es geht ja auch darum, wie ich als Mensch mit Digitalkamera im öffentlichen Raum umgehe.

Rechtsanwalt Benjamin Horvath hat wunderbar klar formuliert wie man das Problem in Schweden gelöst hat aber eben nicht in Deutschland: „Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Schweden: Im Gesetzesentwurf der schwedischen Regierung vom 15.02.2018, das bereits dem schwedischen Reichstag vorgelegt wurde, heißt es unter 7. „Die EU-Datenschutz-Grundverordnung sowie weitere Datenschutzgesetze finden in dem Umfang, wie sie gegen Presse- oder Meinungsfreiheit streiten, keine Anwendung“. Die schwedische Regierung verweist in ihrer Begründung dabei ausdrücklich auf die Unsicherheiten für die Ausübung der Meinungsfreiheit in Folge der unmittelbaren Geltung des DSGVO, sowie der Androhung empfindlicher Sanktionszahlungen bei Zuwiderhandlungen hin.“

Stattdessen führt die Anwendung der EU-Verordnung in Reinform zu folgendem: „Aus diesem Grund wird bereits jede Speicherung von Personenbildern in digitaler Form unter Verbot gestellt.“

Damit wird das Fotografieren von Menschen praktisch verboten – es sei denn man ist institutionalisierte Presse. Damit wäre ja jede Form von Meinungsäußerung und Aufnahmen von Situationen, Beweismittel etc., durch normale Menschen praktisch verboten. Das hier geht auch die Fotoindustrie und die Smartphonehersteller an. Und natürlich bin ich der Auffassung, daß die unveräußerlichen Grundrechte des Grundgesetzes auch nicht von der EU außer kraft gesetzt werden können.

Insofern ist der fotografische Zeitgeist in Deutschland gerade in einer interessanten Gegend angekommen und wir dürfen beobachten wie es mit der Möglichkeit zu fotografieren weitergeht.

Ich persönlich halte mich weiter an die fünf Regeln zur Streetfotografie, die mir in meiner Fotopraxis größtmögliche Sicherheit bieten.

Aber wie absurd das Ganze ist, habe ich am Beispiel von Martin Parr, der anders fotografiert, einmal durchdacht mit der Frage: Verbietet die EU Martin Parr das Fotografieren? Sie finden es hier.

 

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert