Naumburg an der Saale zwischen historischem Flair und DDR

Naumburg an der Saale ist eine kleine Stadt mit einer unerhört schönen deutschen Ausstrahlung, wenn man deutsches Flair in Geschichte und Gegenwart erleben will. Die Stadt hat Geschichte und Gegenwart.

Ab 1993 besuchte ich die Stadt regelmäßig. Erst sah sie aus wie deutsche Stadtgeschichte im Dornröschenschlaf, dann wurde dort der Kern des deutschen öffentlichen Raums wiederaufgebaut und renoviert und dann strahlte eine Stadt so vor mir, wie viele Städte in Deutschland früher waren vor dem 1. Weltkrieg.

Farbtrio - Fotografie als Fotokunst mit Motiven aus Naumburg an der Saale - Foto: Michael Mahlke
Farbtrio – Fotografie als Fotokunst mit Motiven aus Naumburg an der Saale – Foto: Michael Mahlke

Häuser drückten die Ästhetik und den Stolz der ehemaligen (und heutigen?) Besitzer aus, Bauen bedeutete Ausstrahlung nach außen und die Liebe zum Detail gab den Augen die Freude zurück auf schöne Dinge zu schauen, die von der Handwerkskunst und dem Kunstsinn der Menschen zeugten.

Dieses Bauen ist heute im Zeitalter von Schuhkartonhäusern und Wohnboxen verschwunden.

Heute (2016) wandelt sich das Stadtbild.

Naumburg hat in der Innenstadt für mich immer ein besonderes Flair gehabt, weil es alle Facetten zeigte, die Stadtgeschichte ausmachen. Das Neue ist glatt und sauber, das Renovierte ist formschön und anschauenswert – aber die Falten machen das Gesicht der Stadt erst interessant.

Die Falten machen das Flair aus, das mich immer begeistert hat. Und die Falten verschwinden zusehends.

In den ersten Jahren meiner Besuche waren in der Innenstadt alle Läden unrenoviert aber offen, jetzt sind fast alle Läden renoviert aber zu.

Die Mischung macht´s ja im Leben und auch im öffentlichen Raum.

So einzigartig wie der Aufbau als „Modellstadt“ ist auch das Buch mit der Dokumentation dieser Zeit über Naumburg. Das Buch ist gerade im Abverkauf und wird wahrscheinlich nie mehr gedruckt werden. Es zeigt die Zeit bis 1989 und dann die Renovierung des Stadtkerns und den Stand der Renovierung mit Fotos und Texten im Jahr 2001.

In dem Buch ist eine Postkarte von 1916 mit Blick auf den Rathausplatz. Wenn man alte Postkarten aus dieser Zeit vergleicht mit der heutigen Zeit, dann wird deutlich, daß wir im Jahr 2016 dasselbe an Architektur im öffentlichen Raum sehen wie vor 100 Jahren. Das ist deutsche Tradition, die lebendig geblieben ist.

Die Naumburger Mischung im öffentlichen Raum war seit der Wende von 1989 immer das Dreigestirn

  • zwischen Neubau,
  • Renovierung und
  • der Entdeckung des Unrenovierten als Relikt der Vergangenheit.

Mein fotografisches Thema ist ja oft der Blick auf die eher unbeachtete Realität danach und dazwischen.

Stadtverantwortliche sehen meine Blicke vielleicht eher als die auf die „unschönen Seiten“ der Stadt, während sie für mich neben dem strahlenden Dom und den renovierten Gassen gerade das Besondere ausmachen, das zum Entdecken einlädt und als sichtbares Band den Wandel zwischen Gestern und Heute und das Soziale im öffentlichen Raum zeigt.

Insofern hoffe ich, daß diese „Liebeserklärung“ an Naumburg auch so verstanden wird.

Was ich vermissen werde:

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Ein altes Haus, das viel erzählt.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Was für ein Eckhaus!

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Hier ist links ein unrenoviertes altes Geschäftshaus und rechts ein renoviertes Geschäftshaus. Das ist lebende Geschichte, die erzählt, was nach der Wende geschah. Ich finde, man merkt auch dem unrenovierten Haus die Liebe an, die auf die Schönheit und Darstellung des Gebäudes verwendet wurde und für mich strahlt sie gerade mit den „Falten“ bis heute ganz stark. Renovierung ist zwar neuer aber nicht immer besser in der Ausstrahlung..

Und nun hoffe ich, daß die folgenden Bilder den Unterschied deutlich machen. Ist der Flair/das Flair auch hier zu spüren oder wird es erst durch das Miteinander deutlich?

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Hier ist das Neue und das Alte zu sehen. Das neue Gesicht wird stärker

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Hier ist das Alte nur noch Überrest.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Hier ist das Alte absehbar dem Neuen nicht gewachsen.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Hier ist das Alte das Schöne.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Hier glänzt das Renovierte als Symbol für die „schöne“ alte Zeit.

Naumburg zum Entdecken, Geschichte, Alltag damals und heute, Übriggebliebenes und Vermischtes. Das ist die Mischung, die mir so gut gefällt und die es auch fotografisch so interessant macht.

Daher abschließend noch drei Fotos, die diese Mischung zeigen als Erinnerung an eine Zeit, die gerade vorbei geht.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Der Blechzaun im Vordergrund vor der mit Teer geflickten Straße, deren ursprüngliche Schönheit noch darunter hervorschaut und den schönen Häusern mit Inschriften im Hintergrund.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Die Gasse, in der deutsche Gründlichkeit und Individualität zu sehen sind und von vergangenen Zeiten erzählen mit Bürgersteig.

 

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Die Straße mit dem dazu passenden Autoformat und den Farben, die für viele Jahre prägend waren.

Naumburg an der Saale bietet viele Möglichkeiten, solche Fotos zu machen und fotografisch gibt es immer noch viel zu entdecken.

Ein anderes Beispiel dafür ist die Fotoserie Der Blick über den Zaum beim Spaziergang in Naumburg an der Saale.

Die Stadt eignet sich auch für Schwarzweißfotografie und bietet auch abends unerhört viele Möglichkeiten für schöne Fotos.

Foto: Michael Mahlke
Naumburg an der Saale bei Nacht – Motivreich Foto: Michael Mahlke

Noch hat Naumburg ein Gesicht, das schön ist durch die Falten, im Zentrum von Remscheid zum Beispiel gibt es dieses Gesicht so nicht mehr (nur noch im Mini-Stadtzentrum im eingemeindeten Stadtteil Lennep, was nicht vergleichbar ist).

In Remscheid ist fast alles glatt und platt.

Aber das ist eine andere Geschichte.

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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