Eine Wanderfahrt durch das BERGISCHE LAND

“Handkolorierte Diapositive der Lichtbildanstalt Carl Simon & Co. aus der Zeit um 1930” lautet der Untertitel.

Beim Öffnen entdeckte ich einen Schatz, der seinesgleichen sucht.

„Der Düsseldorfer Diahändler Carl Simon baute ab 1907 einen Lagerbestand von 80.000 Lichtbildaufnahmen auf. 2010 wurde der noch vorhandene Lagerbestand von Kulturservice Schroyen gesichtet und digitalisiert. Die Bildmotive umfassten alle Bereiche des Lebens – ob Natur-, Reise-, Religion- oder Architekturphotografie. Von großem kulturhistorischem Wert sind insbesondere die Darstellungen aus Asien. Alle Diapositive sind handkoloriert und in Vortragsreihen zusammengefasst. Zu fast jedem Bild ist ein zeitgenössischer Vortragstext vorhanden.“

Und dann waren die Türen zu diesem Fotoschatz 60 Jahre verschlossen. Erst nach 2002 wurde klar, was da hinter den Bürotüren verborgen lag.

So steht es auf der Webseite.

Man sollte sich klarmachen, mit was man es zu tun hat. Der Name Carl Simon steht für Bildung und Unterhaltung mit Fotografien als Dias, die richtig didaktisch und methodisch aufgebaut waren, wie man heute sagen würde.

Und manchmal hat man Glück und so wurde eine der ersten Lichtbildreihen mit dem Textheft für Vorträge über “Eine Wanderfahrt durch das Bergische Land” dann 2013 im Sutton Verlag veröffentlicht.

Was für ein Buch!

Es ist so wie bei Reden. Wenn man unendlich Zeit hat, kann man sofort anfangen zu reden, wenn man eine Stunde Zeit hat, braucht man einen Tag zur Vorbereitung und wenn man nur zehn Minuten Zeit braucht man eine Woche. Übertragen auf den Lichtbildvortrag waren damals sicher einige Monate für die Motive nötig und dann noch die Aufbereitung mit Text und Fotos.

Und als das Buch entstanden ist, haben die Autoren Hanns-Peter Hohlbein und Andreas Schroyen noch mal alles mit kurzen informativen Anmerkungen eingeordnet aus heutiger Sicht.

Dabei ist ein Buch herausgekommen, welches an Strahlkraft und Deutlichkeit über den Mythos des Bergischen Landes kaum zu überbieten ist.

Der Rahmen ist die Wupper: “So umschreibt er im Allgemeinen ein Viereck, das in der Richtung nach dem südwärts aufragenden Remscheid sich öffnet.”

Und dann geht Carl Simon mit uns mit authentischen Fotos, die nachträglich koloriert wurden und das damalige Leben zeigen, an der Wipper los.

Es sind einfach großartige soziale Fotos und Landschaftsfotos, die zu sehen sind. Es sind Aufnahmen aus dem Leben wie es damals war und wie die Landschaft damals aussah.

Er hatte damals noch keine Leica sondern wohl eher eine große Kamera mit Stativ und seine Reise muß echt gewesen sein, dauerte also auch entsprechend lange. Seine Fotos und sein Vortrag zeigen, wie viel Aussagekraft dokumentarische Fotos haben konnten. Einerseits reiht sich dies ein in die fotografischen Reiseberichte der damaligen Zeit und andererseits ist dieses Buch viel mehr.

Es ist ein echtes visuelles Geschichtsbuch des Bergischen Landes vor knapp 100 Jahren, das zeigt, wie sehr sich doch die soziale Welt verändert hat und wie stark der Mythos immer noch reinspielt und da ist. Man sieht auch, was von damals heute noch vorhanden ist und was anders ist oder weg ist. Und diese Wechselwirkung bringt neue Erkenntnisse für das eigene Leben in der Gegenwart, die morgen schon Geschichte ist. Man sieht sowohl die Kraft dokumentarischer Fotos und wie wichtig Text und Bild zusammen sind. Alle Fotos wären ohne die Texte nicht mehr als einen kurzen Blick wert. Aber sie erhalten durch die kurzen Vortragstexte echte Deutungskraft für damals und heute.

Das Buch kann als Grundlage für Entdeckungsreisen im ursprünglichen Bergischen Land dienen oder als Geschichtsbuch über diese Zeit oder als Antwort auf die Frage, was denn eigentlich Bergisch ist…

“Das Bergische Land zählt mit seinen ursprünglichen Naturlandschaften, lebendigen Städten, malerischen Dörfern, imposanten Bauwerken und beispiellosen Kulturdenkmälern zu den schönsten Regionen Deutschlands. Ein einzigartiger Schatz aus dem 2010 entdeckten Nachlass der Lichtbildanstalt Carl Simon & Co. ermöglicht es nun, das Bergische Land und seine Sehenswürdigkeiten neu zu entdecken. Die Bilddatenbank foticon präsentiert in diesem Bildband eine bislang unveröffentlichte Motivreihe aus den Jahren um 1930. Die rund 70 handkolorierten Aufnahmen zeigen die heutigen Wuppertaler Stadtteile Barmen und Elberfeld sowie Remscheid, Solingen, Hückeswagen, Marienheide oder Wipperfürth. Stimmungsvolle Ansichten des Altenberger Doms, der Schwebebahn oder der Bevertalsperre sowie die zeitgenössischen Bildbeschreibungen runden diese kurzweilige Reise durch das Bergische Land in der Weimarer Republik ab.”

Das Buch gibt es noch zu kaufen.

Sutton Verlag
Die Reihe Archivbilder / Nordrhein-Westfalen, 2013
84 Seiten, 80 Bilder (Farbe)
Maße: 210 x 210 mm, gebunden
ISBN: 978-3-95400-254-2

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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