Neue Perspektiven dokumentarischer Praxis im Fotojournalismus?

„Die Plattform „New Perspectives on Documentary Practices“ reflektiert die sich wandelnden Positionen und Strategien im Fotojournalismus in der heutigen Welt. Insbesondere untersucht sie aktuelle Tendenzen im visuellen Storytelling und bietet vielschichtige Einblicke in neue dokumentarische Strategien“.

Gast-Kuratorin: Iris Sikking“

So steht es auf der Webseite beim digitalen Lumixfestival 2020.

Frau Sikking unterteilt dann vier „Strategien“:

  • „Investigative Strategie Die erste Strategie, die ich die investigative Strategie genannt habe, basiert auf einer gründlichen Untersuchung eines bestimmten Themas. Sie umfasst Fotograf*innen mit einem fotojournalistischen Hintergrund, die intensiv nach Fakten suchen und kritische Erzählungen über die Komplexität unserer heutigen Gesellschaft formulieren. Dabei zeigen sie eine tiefe Sorge um die Bedürfnisse der Menschen,…
  • Aktivistische Strategie Als zweite Strategie folgt der aktivistische Ansatz. Diese Strategie umfasst Fotograf*innen, die nicht zögern, sich in das Zentrum des Sturms zu begeben, indem sie einen festen politischen Standpunkt einnehmen. Die junge französische Künstlerin Laura Ben Hayoun nutzt beispielsweise das Medium Fotografie, um ihre Familienmitglieder dazu zu bewegen, über ihr Herkunftsland Algerien zu sprechen….
  • Partizipatorische Strategie Die Strategie eine*r Aktivist*in nähert sich der dritten, der partizipatorischen Strategie. Sie wird von Künstler*innen übernommen, die über ihre unmittelbare Umgebung oder persönliche Geschichte arbeiten, indem sie ein Teil des täglichen Lebens ihrer Protagonisten sind oder werden. Für solch ein Projekt benutzen sie oft performative Aktivitäten, wie Felipe Romero Beltrán…
  • Digital Strategy Obwohl es nicht per se eine eigenständige Strategie ist, würde ich gerne einen Fokus auf Fotograf*innen richten, die mit digitalen Strategien operieren, um eine Arbeit anzufertigen, oder Teile einer Arbeit, weil sie ein Foto nicht länger nur als greifbares Objekt betrachten, sondern als Teil einer größeren Palette verknüpfter Medien (vgl. Fred Ritchin 2011). Meistens arbeiten sie mit Footage aus dem digitalen Bereich, erzeugen Computerbilder und nutzen das Internet als Plattform, um das Projekt selbst zu präsentieren. Das ist der Fall bei dem Multimedia-Projekt „Poppy: Trails of Afghan Heroin“ von Robert Knoth und Antoinette de Jong…“

Dann zeigt sie an Beispielen, die unter dem Link abrufbar sind, wie auf diese Art Fotoreportagen umgesetzt werden.

Es ist nicht alter Wein in neuen Schläuchen, weil es vor 30 Jahren noch keine digitalen Möglichkeiten gab.

Aber ist es nicht die Wiederkehr des Gleichen auf neue Weise?

Es geht in meinen Augen um engagierte Fotografie, teilnehmende Beobachtung und die Fotografie zwischen Werkzeug und Waffe.

Nach der Debatte vor zehn Jahren als der Fotojournalismus für tot erklärt wurde, gibt es nun eine neue Sicht bis zu der Frage was nun unter dem Wort Fotojournalismus zu verstehen ist.

Interessant dabei ist auch eine Bemerkung von Lars Bauernschmitt in einer Diskussion auf dem #lumixfestival. Er weist darauf hin, daß heute Fotojournalisten in einem vorgegebenen Rahmen liefern müssen und deshalb fast nur noch Porträts statt erzählender und beschreibender Fotos beauftragt werden. Die sind zeitlich und finanziell überschaubar.

Sabine Pallaske weist in derselben Diskussion mit einer interessanten Bemerkung darauf hin, daß heute die Wertschöpfung bei Fotos überwiegend online ist, so daß Fotos als Ware eine schnellere Umschlagsfrequenz haben und weniger wenige Fotos als vielmehr schnell neue thematische Fotos gesucht werden, was zu niedrigeren Preisen führt.

So ist also der neue Fotojournalismus.

Mal sehen wie es nun weitergeht.

Eine interessante Frage wäre, wie sich der Anti-Fotojournalismus in diesen Zeiten einordnen läßt?

Denken Sie doch mal darüber nach!

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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