Ron Hoffer | From the Bronx to Berlin and beyond

Manche Bücher entpuppen sich als Schätze, gerade weil sie aus privatem Interesse enstanden sind.

Dazu gehört das Buch von Ron Hoffer aus dem Kerber-Verlag.

„Der amerikanische Umweltwissenschaftler Ron Hoffer trat als Mitarbeiter der US Umweltbehörde in den 1980er-Jahren an, die »ökologische Verständigung« von Kommunismus und Kapitalismus zu verbessern. Seine persönlichen Begegnungen hinter dem Eisernen Vorhang hielt er mit seiner 35 mm-Kamera fest. In zahlreichen Bildern fing er die Schönheit sowie die alltäglichen Herausforderungen ein, mit denen Freunde und Fremde in Russland, der Tschechoslowakei und Ostdeutschland konfrontiert waren. 30 Jahre nach dem Mauerfall machen Hoffers nostalgische Alltagsvignetten sein Buch „From the Bronx to Berlin and beyond“ zu einer fotografischen Hommage an eine heute fast vergessene Zeit des weltweiten Optimismus.
»Geschichten und Fotografien meiner Reise, um den Kommunismus abzusetzen, die Umwelt zu retten und in den Ruinen des Reichs des Bösen den besten Borschtsch zu finden«, so beschreibt Ron Hoffer augenzwinkernd den Inhalt seines fotografischen Erinnerungsalbums.“

So entstand ein Buch voller Geschichten.

Es ist sehr privat und doch sehr interessant.

Hoffer erzählt einfach seine Geschichte, als er unterwegs in seinem Beruf als Wasserspezialist durch den Ostblock reiste, vor und nach der Grenzöffnung 1989.

Die kurzen Erzählungen machen aus den Fotos visuelle Geschichten, die nach dem Lesen des Textes beginnen. Er dokumentiert eigentlich immer Menschen, die er kannte und die damit gerne einverstanden waren.

So entstanden dokumentierende Erinnerungsfotos als Reisefotos. Der letzte Teil des Buches enthält Momentaufnahmen von Dingen und Situationen, die man nicht in Worte fassen kann.

So ist ein wunderbares persönliches und zugleich eindrucksvoll weites Buch entstanden, das durch seine Details das große soziale Leben der kleinen Leute zeigt. Auffallend ist an seinen Fotos auch der hohe Anteil von Frauen in Laboren und den Naturwissenschaften.

„Im Rahmen von unzähligen Austausch- und Wissenschaftsprogrammen reiste der studierte Geologe als Mitarbeiter der US Umweltbehörde jahrzehntelang durch die kommunistischen Staaten Europas. Jenseits seiner beruflichen Pflichten, trat Hoffer diese Reisen auch als weltoffener, neugieriger Privatmensch an. Es sind gerade die persönlichen Begegnungen mit Freunden und Fremden, die ihm in Erinnerung geblieben sind und die bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt haben.

Allerdings führte Hoffer weder ein Reisetagebuch noch notierte er sich spezielle Ereignisse. Vielmehr machte er Fotos mit einer Nikon 35mm oder Contax T 38mm Pocket-Kamera. Anders als in Zeiten der Digitalfotografie wählte der Wissenschaftler die Momente, in denen er auf den Auslöser drückte, stets mit Bedacht und großer Sorgfalt. Auch ohne einen Blick auf die geografischen und zeitlichen Angaben der Fotos zu werfen, kann Hoffer bis heute fast alle Bilder problemlos zuordnen.

Jede Fotografie erzählt eine eigene kleine Geschichte. Hoffer hat sich für sein Buch »From the Bronx to Berlin and beyond« die Mühe gemacht, diese Erzählungen zu rekapitulieren und für die Leser schriftlich festzuhalten. Mal lichtete er lachende Mitarbeiterinnen eines Labors in Polen ab, deren exakte Aufzeichnungen bis zum Fall des Eisernen Vorhangs nur stark abgewandelt und geschönt den Weg an die Öffentlichkeit fanden. Dann  wieder konzentrierte er sich auf Jugendliche, deren neonbunte Polyestersweatshirts gerade im Begriff waren uncool zu werden, oder er wurde unfreiwilliger Zeuge einer Parlamentsbesetzung im Jahr 1993 in Moskau.

Die auf den ersten Blick als ‚einfaches‘ Fotobuch getarnte Dokumentation Hoffers, ist geradezu eine fotografische Mentalitätsgeschichte und ein wichtiges Zeitzeugnis des Umbruchs, der Menschlichkeit und des Optimismus. »From the Bronx to Berlin and beyond« ist Pflichtlektüre für all dienjenigen, die auch 30 Jahre nach dem Mauerfall die Existenz des Eisernen Vorhangs nicht vergessen wollen.“

Das Buch ist im Kerber Verlag erschienen.

ISBN 978-3-7356-0644-0

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert