Orte der Verheissung von Jakob Schnetz

Jakob Schnetz, Ort der Verheissung

Jakob Schnetz studierte Fotografie in Hannover und hatte das größte Messegelände der Welt direkt vor der Tür. Daraus entstand sozusagen Fotografie vor Ort, in dem Fall waren es die Orte der Verheissung auf der Hannovermesse.

Hier ist die Neuheit als Thema zu sehen – eben Orte der Verheissung. Es ist eine Art der Dokumentarfotografie, die eher als Serie etwas zu sagen hat. Als Einzelbilder wären es eher Stockfotos zur Bebilderung aber als Serie wird daraus sehr viel mehr – und als Buch mit eingestreuten Zitaten erst recht.

Die Fotos wirken auf mich auch vom Stil her sehr modern. Das Design des Buches ist frisch, klar und funktional neu, dem Thema angepaßt.

Ich halte dies alles für sehr gelungen. Er dokumentiert und zeigt, es ist die Neuheit, die zählt und die Austauschbarkeit und die Funktion statt der Individualität.

Dass diese Aufnahmen der Austauschbarkeit dann hier in diesem Buch daraus etwas Individuelles machen, zeigt das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Darauf will ich noch etwas eingehen.

Vielfach sind es Detailfotos einer Situation, die gezeigt werden. Sie weisen auf das Ganze hin und ergeben in der Summe einen Blick auf das Ganze.

Die Fotos bemühen sich um eine eher abstrakte Sichtweise, die fast nie die konkrete Messe und die konkreten Produkte zeigen, sondern Details aus dem sozialen Leben der jeweiligen Situation.

Daher sind diese Fotos auch Eindrücke, die für mehr als eine Messe gelten und sehr oft das zeigen, was fast immer auf Messen als Orten der Verheissung zu finden sind. Es sind tatsächlich Fotos des abstrakten Marktes.

„Marketing ist Gottesdienst am Kunden“, meint der Schweizer Trendforscher David Bosshart. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, die größten Kathedralen der Warenwelt stehen in Deutschland: Auf 2 750 000 m2 Messehallen werden die neuesten Produkte präsentiert, die effizientesten Dienstleistungen angepriesen und das beste Know-how vermarktet. Messen sind Ereignisse mit maximaler Konzentration von Angebot und Nachfrage auf kleinstmöglichem Raum in minimaler Zeit. Messen sind das Spiegelbild einer globalisierten und konsumorientierten Dienstleistergesellschaft. Für jede Interessensgruppe gibt
es eine Messe: Waffen, Erotik, Haustiere, Kunst, Babys, Schmuck, IT, Tourismus, Autos etc. Der Ort der perfekten Vermarktung wird bestimmt von genormten Kulissen, Live-Shows und erbittertem Kampf um Kunden.

„Was hier als kompakte Serie erscheint, ist das Ergebnis einer fotografischen Annäherung an das abstrakte Thema des ‚Marktes‘am Beispiel der Fachmesse und der Suche nach fotografischen Möglichkeiten der Kritik. Dieser Prozess war kontinuierlicher Begleiter meines Studiums der Fotografie, das ich von 2013 bis 2017 an der Hochschule Hannover absolvierte, die sich in direkter Nachbarschaft des größten Messegeländes der Welt befindet“, so Jakob Schnetz über sein Fotoprojekt.“

Ich finde das hat Herr Schnetz gut gemacht. Dieses Buch ist sicher keine leichte Kost, weil es fotografischen Anspruch und den abstrakten Markt auf Messen als Thema hat und dabei versucht, eine fotografische Form zu finden.

Deshalb gefällt mir das Buch mit seinen Fotografien und die gesamte Idee auch besonders gut.

Es ist ein Buch, das man mehrmals anschaut. Es ist in gewisser Weise eine Reflektion von dem, womit wir nicht fertig werden. Denn Neuheit ist die neue Sucht und verkaufen ist alles. Das ist der sinnfreie Sinn.

Wer das dann noch in Fotos packen kann, der kann´s.

Das Buch ist in der Edition Lammerhuber erschienen.

Jakob Schnetz
17 x 23,5 cm
112 Seiten
70 Fotos
Deutsch
Hardcover
ISBN 978-3-903101-44-9

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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