Er war der meistfotografierte Hochofen Deutschlands

Ich hatte noch nie eine Beziehung zum Ruhrgebiet obwohl ich dort viele nette Leute kennengelernt habe.

Ich sah kein Ende und keinen Anfang. Es blieb mir fremd.

Und meine Berichte über das Duisburger Stadtmassaker taten ein übriges, um mich eher vom Ruhrgebiet zu entfernen und mich anderen Landschaften zuzuwenden.

Doch jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo sich mir das Ruhrgebiet erschloß.

Thomas Pflaum hat mit seinem Fotoreiseführer Fotografieren im Ruhrgebiet mir erstmals Einblick, Überblick und Durchblick verschafft.

Er zeigt in seinem Buch auch Orte und Motive in Duisburg.

„Bruckhausen ist ein besonderer Stadtteil: Nirgendwo sonstim Ruhrgebiet ließ sich bis in die jüngste Vergangenheit das enge Nebeneinander von Schwerindustrie und Wohnen noch erleben“, schreibt Thomas Pflaum in seinem Fotoreiseführer.

Und dann zeigt er zwei Fotos, die er an der Ecke Dieselstraße/Bayreuther Straße 2010 und 2014 aufgenommen hat.

Der Hochofen ist weg.

Er schreibt: „Er war einmal der meist fotografierte Hochofen Deutschlands.“

So bietet der Fotoreiseführer mehr als den Ort.

Hier werden Geschichte und Gegenwart so verknüpft, daß man mit der Sprache der Fotografie Geschichten erzählen kann.

Und bei mir entstand die Lust, alte digitale Fotos herauszusuchen, die ich im Ruhrgebiet gemacht hatte.

Der Hochofen grüßte damals schon auf der Autobahn und zeigte die Richtung.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Es war im Jahr 2009 auf dem Marktplatz in Duisburg Bruckhausen.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Auf dem Marktplatz versammelten sich die Mitarbeiter verschiedener Werke von ThyssenKrupp voller Hoffnung und Wut.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Fotojournalisten waren ebenfalls zahlreich erschienen.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Hier sieht man wie eng Arbeit und Leben miteinander verknüpft waren. Der Hochofen war der Kölner Dom des Stadtteils.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Deshalb ist es gut, wenn man sich an die vielen ehrlichen und fleissigen Menschen erinnert, die dort zur Arbeit gingen und von ThyssenKrupp mehr erwarteten als Arbeitsplatzabbau. Damals war der Bezirksleiter der IG Metall Detlef Wetzel.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Der Hochofen ist weg, der Stadtteil Bruckhausen wurde Opfer eines „Stadtmassakers“ und die soziale Stadt, also die Beziehungen zwischen den Menschen und dem vorhandenen öffentlichen Raum, gibt es in der damaligen Form nicht mehr.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

So soll dieses letzte ruhige Bild von der Straße am Markt an die damalige Zeit und die Menschen mit ihren Hoffnungen und Problemen erinnern, die dort lebten und vielleicht noch leben.

Genau dies macht das Ruhrgebiet aus. Es ändert sich ununterbrochen.

Und damit komme ich zurück zu dem Buch von Thomas Pflaum. Ihm ist es gelungen, mir Orientierung zu geben und mich neugierig zu machen.

Nun denke ich sogar daran, mit diesen Erinnerungen noch einmal zum Markt in Duisburg Bruckhausen zu fahren, um dort zu fotografieren.

Ohne das Buch von Thomas Pflaum wäre weder dieser Artikel geschreiben worden noch der Wunsch entstanden, noch einmal dorthin zu fahren.

Besser kann ein Buch als Anregung wohl kaum sein.

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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