Rasende Reporter. Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus von Anton Holzer

rasendereporter

„Dieses Buch handelt von alten fotografisch illustrierten Zeitungen… Dieses Buch rekonstruiert am Beispiel Österreichs die Gründungsjahre und -jahrzehnte des modernen Fotojournalismus. Es folgt den frühen Pionieren auf ihren Streifzügen, schildert den Arbeitsalltag der Fotografen und wirft einen Blick in die Redaktionen, wo die illustrierten Zeitungsseiten hergestellt werden.“

Mit diesen Worten aus dem Vorwort gelangen wir in ein opulentes Buch, das zum tagelangen Verweilen und Entdecken einlädt. Großformatig und großartig illustriert erfahren wir mit einer Fülle von substanziellen Artikeln zu allen Themen des Fotojournalismus, wie die Welt damals aussah und wie sie sich selbst sah im Spiegel der Fotografie.

Anton Holzer ist es gelungen, ein umfassendes Buch zu erstellen, das ein echtes Panorama der damaligen Zeit liefert.

Obwohl das Buch nur so von Fotos und Ausschnitten strotzt, ist es dennoch zugleich ein Buch voller Texte, die zeigen, wie man dieses Thema wissenschaftlich so bearbeiten kann, daß daraus dennoch ein lesbares Buch wird.

Gibt es eine fotografische Öffentlichkeit?

Diese Frage scheint die Leitfrage in diesem Buch zu sein und es ist eine gute Frage.

Seine Antwort ist eindeutig: „Schon sehr früh … etabliert sich … neben der … textlastigen Zeitungs- und Zeitschriftenöffentlichkeit, eine ebenso komplexe, weitaus populärere Bildöffentlichkeit. Diese frühe Form der Öffentlichkeit … scheint heute weitgehend vergessen zu sein. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Zeugnisse dieser Öffentlichkeit, die Bilder, … bisher erst wenige Historiker gefunden haben.“

Und so nimmt uns Anton Holzer mit in die fotografische Öffentlichkeit und entführt uns in die damalige Welt, die wir in Bildern betrachten können – so wie heute.

Nun ist dieses Buch über Österreich.

Ist das eine Einschränkung?

Eher nicht.

Sprachlich sind wissenschaftliche Bücher aus Österreich eher besser als aus Deutschland, weil sie mehr verständliches Deutsch und weniger unverständliche Fachsprache nutzen.

Das fällt mir auch bei diesem Buch auf.

Holzer schildert die verschiedenen Zugänge verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen und bleibt dann bei einer klaren historischen Fachsprache, die die Texte lesbar und sachlich macht.

„Die wichtigsten Zentren der Bildpresse im deutschsprachigen Raum sind Berlin und Wien“, schreibt Holzer.

Und so ist dieses Buch dann aus der Sache heraus doch eine Kulturgeschichte des gesamten deutschsprachigen Raums.

Fast jede Doppelseite hat mehrere Bilder von Zeitungen oder Wochenblättern bzw. Magazinen, viele davon aus Deutschland, weil die Pressefotografie mobiler wird und über Grenzen hinweg arbeitet. Und der weg von München nach Wien ist nun auch nicht so weit. Hinzu kommt, daß in der NS-Zeit Österreich und Deutschland zusammengeführt wurden und damit auch die Pressefotografie sich veränderte.

Schon visuell kann man so in dem Buch einen Weg gehen, der unglaublich viele Eindrücke hinterläßt.

Ab Seite 206 lesen wir dann über die Wege zur modernen Fotoreportage.

Wir entdecken

  • wie sich grafische Gestaltung und Bilder ändern,
  • wie Themenseiten mit Fotos hinzukommen und wir sehen,
  • wie politische Fotografie überall zu finden ist.

Es ist ein Buch, das jedem wissenschaftlichen und thematischen Anspruch gerecht wird, aber auch die Forschungslücken aufzeigt und zu weiteren Fragen anregt.

Es ist wahrscheinlich das Standardwerk zu diesem Thema geworden und im Primusverlag erschienen.

Anton Holzer

Rasende Reporter
Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus

2014, Etwa 496 S. mit ca. 530 farb. u. s/w Abb., Register, geb. mit Schutzumschlag
Format 22,0 x 29,0 cm
ISBN 978-3-86312-073-3

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/