Dokumentarfotografie: Das Duisburger „Stadtmassaker“

Die Welt verändert sich. Deshalb verändern sich auch die Städte und die Interessen der Menschen in den Städten. Die Stadt Duisburg hatte und hat zwei Probleme, die bis heute überregional medienwirksam sind, die Loveparade und die Stadtentwicklung am Beispiel von Duisburg Bruckhausen.

Roland Günter

Roland Günter hat dazu ein Buch geschrieben „Stadtmassaker und Sozialverbrechen. Studie zur Kommunalpolitik am Fallbeispiel Stadtzerstörung und Stadtentwicklung in Duisburg“.

Dieses Buch ist in der Reihe „Einmischen und Mitgestalten“ erschienen und wurde im Klartext-Verlag veröffentlicht.

  • In China werden die Menschen einfach vertrieben ohne Hilfsleistungen zu erhalten.
  • Im Braunkoheltagebau in Deutschland werden Dörfer komplett umgesiedelt und alle Kosten für die Bewohner übernommen.
  • Und unter der Frage des Rückbaus von Städten und dem Rückbau von Stadtteilen werden nun ohne große Hilfe für die Menschen ebenfalls Umsiedlungsaktionen von einzelnen Kommunen beschlossen.

Dies hat in Duisburg sehr viel Unmut ausgelöst und wurde und wird auch fotografisch dokumentiert. Deshalb schreibe ich auch darüber.

Das Buch von Roland Günter ist ja unter wissenschaftlichen Aspekten völlig verrissen worden.

Wenn man das Buch mit dieser Messlatte anpackt, dann wird man dem Buch nicht gerecht und geht an der Substanz des Buches vorbei. Denn die Realität besteht nicht aus Fußnoten und eigenes Erleben ist ebenfalls kein Fall für Fußnoten. Bliebe die Frage, ob das Buch ein wissenschaftliches Standardwerk sein will?

Sicher nicht – ganz im Gegenteil.

Das Buch ist zwei Bücher, wenn man so sagen kann.

Es ist einmal eine Streitschrift im besten Sinne im politischen Prozess und formuliert Positionen und beschreibt Vorgänge. Dazu zitiert der Autor aus Schreiben an ihn und andere und er schildert Erlebnisse, die er hatte.

Dazu braucht man keine Fußnoten.

Es geht ihm vielmehr darum, „aufzustehen gegen das, was in Duisburg und anderswo geschieht.“

Katrin Susanne Gems und Gerda Sökeland

Günter verweist dabei auf das Internet  und die Adressen geschichtswerkstatt-duisburg-nord.de und deutscherwerkbund-nw.de.

Man findet dort viele Fotos und Informationen. Einen Teil davon findet man auch im Buch. Katrin Susanne Gems und Gerda Sökeland haben hier dokumentarische Fotografie publiziert, die die Veränderungen und das Verschwundene festhalten soll.

Roland Günter
Roland Günter

Wenn man das Buch rumdreht, dann ist es ein anderes Buch mit dem Titel „Kein Stadtmassaker und Sozialverbrechen, sondern eine Visionäre Stadt“ – also eine positive Utopie.

Dort entwirft Roland Günter eine „visionäre Stadt“ und benennt die Baustellen, die bearbeitet werden müssten.

Das Buch ist dick, es ist interessant und die Fotos sind es auch. Es knüpft in meinen Augen an eine aufklärerische und emanzipatorische Tradition an, die einstmals soziale Bewegungen groß gemacht hat.

Es ist sehr gut, dass es im Umfeld des Buches einige Internetadressen gibt, die dokumentieren, dass etwas passiert.

Redpicture

Noch interessanter sind dabei die Aufnahmen von Redpicture auf flickr und an anderen Stellen. Denn dort dokumentiert er den Prozess des Ganzen.

Man sieht also nicht nur die Situation sondern darüber hinaus auch die Dokumentierenden und Aktiven in dieser Situation. Das ist unabhängig vom Erfolg dieses sozialen Kampfes gute Dokumentarfotografie.

Allerdings geht Redpicture weit über dieses Ereignis hinaus und dokumentiert auch viele andere öffentliche Ereignisse, die man sonst kaum sehen würde. So lohnt sich der Besuch seiner fotografischen Webseiten vielfach, weil er sozialdokumentarische Fotografie und fotojournalistische Arbeit in klassischer Art und Weise macht, die so in Videos nicht möglich wäre.

Würden nur halb so viele Menschen zu einer Demo für Bruckhausen kommen wie auf der Loveparade waren, wäre die Frage des Stadtteils und der Stadtentwicklung sicherlich geklärt. Aber das ist ein Zeichen einer neuen Zeit.

Fotos und Videos

Wie unterschiedlich die Berichterstattung zwischen Fotos und Videos ist und wie verschieden dabei die Schwerpunkte sind, kann man sehr schön sehen, wenn man sich zu dem Thema  ein Video anschaut. So stehen Möglichkeiten und Grenzen – auch inhaltlich – von Videos und Fotos direkt nebeneinander. Es sind sich ergänzende Bereiche, die zusammen mehr zeigen als jeder Teil für sich allein. Und manches kann besser mit Fotos, anderes besser als Video gezeigt werden.

Vielleicht schon prophetisch schreibt Günter in der Einleitung „Es gehört zu den wichtigen Fähigkeiten des modernen Menschen, mit der Unsicherheit zu leben. Trotzdem zu handeln. Mit der Substanz der Menschenwürde und einer Vorstellung des Gemeinwesens.“

In diesem Sinne

 

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

One thought on “Dokumentarfotografie: Das Duisburger „Stadtmassaker“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert