Glamour des Elends von Evelyn Runge

9783412207267

„Ethik, Ästhetik und Sozialkritik bei Sebastiao Salgado und Jeff Wall“ lautet der Untertitel des Buches, das auch als Promotion angenommen wurde. So war ich gespannt wie das Thema Dokumentarfotografie im Buch dargestellt wird, zumal es sich bei den beiden Fotografen ja um weltbekannte Namen handelt.

Das Buch hat viele Aspekte und deshalb will ich auch keine Rezension schreiben, die so dick wird wie das Buch.

Auf Seite 69 landet die Autorin explizit im Bereich „Kernbegriffe der Dokumentarfotografie“. Sie schreibt: „Zu den beliebten Topoi im Diskurs über Fotografie und im speziellen über Dokumentarfotogafie zählen Mitleid, Ästhetisierung und Würde.“

Die Autorin leitet dann begriffsgeschichtlich Mitgefühl und Mitleid her und beschäftigt sich danach mit Fragen der Ästhetik. Dann folgt ein Kapitel über Würde und Humanität und auch zum Thema Würde im Bild.

In Anlehnung an das „Bildsystem Fotografie“(S. 25) von Gottfried Jäger schreibt sie dann: „In der vorliegenden Arbeit geht es vor allem um Abbilder (Dokumentarfotografie) und Reflexbilder (Konzeptfotografie, Medienreflexion)“ (S. 106).

So nähert sie sich dem Kern ihres Buches „Ethik, Ästhetik und Sozialkritik bei Sebastiao Salgado und Jeff Wall“.

Sie stellt Sebastiao Salgado und sein Werk ebenso vor wie Jeff Wall und kommt dann u.a. zu dem Gedanken: „Der Unterschied ist aber, dass inszenierte Fotografie als Bildidee bis hin zur Form der Publikation und Präsentation überdacht ist und, wie erwähnt, das Bildresultat in der Bildidee mitkonzipiert ist. In der dokumentarischen und journalistischen Fotografie steht nach wie vor die Spontaneität und das Fotografieren im Vordergrund“ (S. 175).

Im „Ausblick“ stellt Frau Runge fest: „Eine der Herausforderungen für künftige Forschungen über Fotografie besteht nach wie vor darin, ein klareres Vokabular zu schaffen“ (S. 245)

Ich will diese beiden Zitate als Rahmen nehmen für weitere Gedanken.

Da sie feststellt, dass es keine genaue und/oder eindeutig akzeptierte und wissenschaftlich erarbeitete Begrifflichkeit gibt, arbeitet die Autorin mit dem, was da ist und vieldeutig eingesetzt wird. So ist vieles nicht intersubjektiv sondern nur subjektiv zu fassen und regt  zur Auseinandersetzung an.

Man merkt dem Buch und der Autorin an, dass sie sich tief und engagiert mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.

Das Schicksal von guten Autorinnen und Autoren besteht darin, mit dem Mut zur Lücke und dem Mut zur Meinung zu schreiben. Frau Runge hat ein gut zu lesendes und inhaltlich interessantes Buch zu einer Spezialfrage geschrieben. Es hat Charakter und ist eine echte Kaufempfehlung. Frau Runge hat eben eine gute „Schreibe“ und einen eigenen Blick.

Exemplarisch zeigt das Buch“Glamour des Elends“  zudem, dass Wörter und Bilder vielfach zwei verschiedene Kommunikationswege sind. Es ist einfach schwierig über Fotos zu schreiben und das dann alles noch in wissenschaftlich nicht eindeutige Begriffe zu packen. Dafür kann aber die Autorin nichts. Das ist das Schicksal der Fotografie.

Das Buch ist im Böhlau-Verlag erschienen und lohnt sich sehr, wenn man sich für Fotografie und diese Fragen interessiert.

Evelyn Runge
Glamour des Elends. Ethik, Ästhetik und Sozialkritik bei Sebastião Salgado und Jeff Wall
ISBN 978-3-412-20726-7

Text 1.1

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert