At War von Anja Niedringhaus

Kriegsfotografie erzählt über den Umgang des Menschen mit sich selbst. Es ist immer wieder und alle paar Jahre an anderer Stelle dasselbe: Menschen morden und Menschen sterben. Wie viele Reporter bei der Berichterstattung sterben, finden wir bei Reporter ohne Grenzen.

So ist Kriegsfotografie nicht nur die Dokumentation von Tod und Sterben sondern auch das Leben mit diesem Risiko. Und wie schnell dies gehen kann, wird gerade aktuell wieder einmal deutlich.

Herausgegeben von c/o Berlin hat Anja Niedringhaus Bilder vom/im Krieg in diesem Buch versammelt. Es ist ein Buch, das den Krieg dokumentiert. Es ist Kriegsfotografie und es ist Dokumentarfotografie.

Ulrike Demmer schreibt dazu in ihren Anmerkungen in dem Buch: „Die Bilder in diesem Buch sprechen eine Sprache, die so einfach ist, dass jeder sie versteht.“

Und so finden wir Fotos vom Irak, über Afghanistan bis zu den Aufständen in Libyen im Jahr 2011.

Es gab dazu eine große Ausstellung und das Buch war dabei und ist auch danach noch vorhanden. Gottseidank, denn es ist ein gutes Buch unter dem Gesichtspunkt der dokumentarischen Aufgabe von Fotografie in diesem Bereich.

Und es ist auch so stabil und gut gestaltet, dass es hundert Jahre halten kann.

Anja Niedringhaus hat zu diesem Buch und ihrer Arbeit ein Interview bei dradio.de gegeben. Da wird deutlich, warum sie dies tut: „Mein Anliegen ist eigentlich, die Menschen in diesen Ländern zu zeigen. Es geht mir nicht um die Militärmaschinerie, oder wie groß die Waffen sind, wie schnell der Panzer ist, sondern was eigentlich danach passiert, nachdem geschossen wird. Und deswegen ist es meistens so, dass an der Frontlinie für mich der uninteressanteste Punkt ist. Der interessanteste Punkt ist, was ist eigentlich da, wo es einschlägt?“

Und das Buch zeigt denn auch, wo es im Krieg eingeschlagen hat. Sie ist eine fotografische Dokumentaristin ihrer Zeit (unserer Zeit). Sie zeigt die Menschen, so wie vor ihr und mit ihr andere das Leid der Menschen gezeigt haben.

James Nachtwey hat auf seiner Webseite geschrieben „The events I have recorded should  not be forgotten and must not be repeated.“ Er will, dass die Ereignisse, die er aufgezeichnet hat, nicht vergessen werden und sich nicht wiederholen.

In dieser Tradition sehe ich auch Anja Niedringhaus und ihr Buch. Denn sie berichtet wie andere auch über die Verlierer des Krieges, die namenlosen Menschen, denen sie ein Gesicht gibt, indem sie sie fotografiert und uns ihre Bilder zeigt.

Aber die Bilder zeigen auch den militärisch-industriellen Komplex und die Glaubenskriege des 21. Jhrdt. So sind die Bilder Zeugen unseres Denkens und unseres Handelns. Sie dokumentieren, wie Menschen sein können und was wir tun und lassen müssen, aber nicht lassen wollen.

Um zu verstehen worin sich Kriegsfotografie von Armeefotografie unterscheidet, braucht man bloß hier zu klicken.

Das Problem der Kriegsfotografie ist ja, dass sie augenscheinlich folgenlos bleibt. Sie dokumentiert und das Morden geht weiter.  So ist Kriegsfotografie ein Beispiel für die Ohnmacht der Presse. Kriegsfotografie schreibt das Morden auf durch das Fotografieren, Kriegsfotografie erschöpft sich im Dokumentieren – oder doch nicht?

Ist die Wirkung der Fotos nicht so gross? Oder ist sie größer als ich glaube? Denn immerhin dokumentieren sie, warum es sich lohnt für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten.

So lädt das Buch von Anja Niedringhaus zu einer Auseinandersetzung mit sich und der Welt in Krieg und Frieden ein. Und das steigert den Wert des Buches doch enorm.

Das Buch ist im Hatje Cantz Verlag erschienen:

Anja Niedringhaus At War

Hrsg. C/O Berlin, Texte von Jean-Christophe Ammann, Ulrike Demmer, Felix Hoffmann, Vorwort von Associated Press, Gestaltung von Naroska Design

Deutsch/Englisch

ISBN 978-3-7757-3232-1

Nachtrag 2014:

Nach der Ermordung von Anja Niedringhaus hat das Buch einen besonderen Stellenwert.

Mehr zu dem Thema gibt es hier.

 

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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