Geheimnisse der Filmgestaltung von Arnold H. Müller

Das größte Vergnügen hat ein Leser, wenn schwierige Zusammenhänge in einfachen Worten erzählt werden. Und wenn dann das Buch auch noch sehr viele klare Zeichnungen hat, dann ist dies bildlich und sprachlich das höchste Vergnügen.

Die „Geheimnisse der Filmgestaltung“ von Arnold Heinrich Müller sind ein solch seltenes Buch. Hier gibt ein Mann Erfahrungen eines ganzen Lebens weiter, die nicht veralten werden. Hier ist ein Sachbuch und Fachbuch entstanden.

„Dieses Buch ist für alle gedacht, die eine Videokamera in die Hand nehmen, um spannende Situationen in Form eines Filmbeitrages festzuhalten. Die Gestaltungsregeln für Filme gelten für Amateure und Profis gleichermaßen.“ Mit diesen einfachen und klaren Worten beginnt das Buch.

Und Müller setzt sich ein klares Ziel: “ In diesem Buch werden Sie lernen, die Spreu vom Weizen zu unterscheiden. Am Anfang des Filmemachens steht nie der große Wurf, sondern eine ganz einfache Frage: Wie mache ich einen Film so, dass er interessant ist, dass die Leute bis zum Ende zusehen, dass sie den Inhalt so verstehen wie ich ihn gemeint habe, und dass sie hinterher noch wissen, was sie gesehen haben.“

Und schon sind wir mittendrin. Müller wandert durch die heutige Film- und Fernsehwelt und schildert Techniken, die wir im Alltag wahrnehmen und kommt dann zu der ersten und dabei so wichtigen Regel „Was ich nicht habe, kann ich nicht reinschneiden.“

So einfach dies klingt so oft wird es vergessen. „die erste Regel für einen guten Film besteht darin, dass man beim Drehen bereits ans Schneiden denken muss. Das wird Ihnen sofort einleuchten, wenn Sie sich klarmachen, dass auch ein Schneider keinen Anzug bauen kann, wenn Sie ihn nur ein paar Stücke Stoff geben, die nicht zusammenpassen.“

Und dann kommt alles, was man über Farbe, Licht, Bewegung, Montage von Filmen, Handlungsachsen, Ton (!), Storyboard, Technik der Spannung, Erzählperspektive etc. wissen muß. Aber Arnold Heinrich Müller scheint auch pädagogisch viel Erfahrung zu haben.

So ist ein Kapitel weiter vorne dem Thema „Film und Wahrnehmung“ gewidmet.

In diesem Kapitel wird sehr vieles dargestellt, was die Grundlage für eine Medienkompetenz überhaupt ist: „Aufgrund der Tatsache, dass der Mensch nur einen Aufmerksamkeitskanal besitzt, kann immer nur eine Sache pro Zeitabschnitt beachtet werden. Bei einem Vortrag kann man entweder dem Referenten zuhören oder den Nacken der Dame in der vorderen Stuhlreihe betrachten…. Das was uns ins Auge fällt, ist also abhängig von oben aufgezählten Kriterien wie Kulturkreis, Geschlecht, Interessen und so weiter… Man muss daher versuchen, das, was man meint, auch zielsicher erkennbar zu machen, wobei – dies als Vorgriff auf spätere Erörterungen – schon durch die Länge einer Einstellung vorherbestimmt werden kann, ob gewisse Einzelheiten beim Betrachten unter den Tisch fallen oder nicht.“

Mehr und mehr wird deutlich, dass der Reiz dieses Buches in mehreren Elementen liegt. Es ist erstens eine gerade auch für Menschen ohne fachliche Vorbildung ausgesprochen gute Einführung in das Thema. Es ist zweitens eine komplette Darstellung. Heute werden sehr viele Bücher ja selektiv geschrieben. Hier wird deutlich, dass Videoerstellung Wissen, Kenntnisse und Erfahrung aus vielen Disziplinen benutzen muß – und alles dies wird hier fachlich und sachlich schön erzählt.

Es ist sprachlich immer angemessen und dennoch deutsch und kein Gewirr von Anglizismen, die eher verbergen statt weiterhelfen. Und es ist inhaltlich aufbereitet, früher nannte man dies Didaktik, so dass die Wissenszunahme immer im richtigen Zusammenhang erfolgt.

Doch gehen wir noch etwas weiter.

Im Kapitel „Dramaturgie“ findet sich folgender Absatz: „Schon in der Antike gab es zwei Formen des Erzählens, die dramatische und die epische. Die epische Erzählung reiht Episoden aneinander, die mehr oder weniger zusammenhängen und im Ergebnis das Bild einer Epoche, einer Gesellschaft oder eines menschlichen Lebens ergeben. Weit häufiger jedoch, und um im Spielfilm überwiegend, findet man die dramatische Erzählform.“ Dann folgt die Darstellung der dramatischen Handlung. „Was ist das Kernelement einer dramatischen Handlung – Der Konflikt.“

Und dann wird gezeigt – egal ob kollektiver, innerer oder antagonistischer Konflikt – was die Story für den Zuschauer interessant macht, damit er sie geniessen kann. Wie man das dann macht wird im Kapitel „die Technik der Spannung“ verraten.

Ich will genau hier auch aufhören. Dieses Buch ist wirklich lesenswert und spannend, wenn man sich mit dem Thema intensiv beschäftigen will. Übrigens erweitert man zugleich seine eigene Medienkompetenz enorm und wird in die Lage versetzt, nicht nur besser zu filmen sondern auch besser zu beurteilen, was andere gemacht haben.

Wie heisst es auf dem Buchumschlag so schön: „Dabei geht es nicht um die Bedienung der neuesten Kamera oder der neuesten Software, sondern um den Kern des Filmemachens: Die Regeln der Kunst.“

Genau!

Arnold H. Müller:
Geheimnisse der Filmgestaltung
Das Handwerk – Die Regeln der Kunst
ISBN: 978-3-7949-0812-7

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